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07. Dezember 2021
HFK-Update Immobilienrecht: Bundesverwaltungsgericht entscheidet über gemeindliche Vorkaufsrechte im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung
Das Bundesverwaltungsgericht hat die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage entschieden, ob im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung künftige Entwicklungen zu berücksichtigen sind.
Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat diesbezüglich anschaulich und eindeutig angeführt, dass § 26 Nr. 4 BauGB als negative Tatbestandsvoraussetzung zur Ausübung des Vorkaufsrechts ein solches im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB begrenzt. Nach § 26 Nr. 4 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn - erstens - das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und - zweitens - eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist.
Die erste Alternative bezieht sich nach dem Bundesverwaltungsgericht eindeutig auf die Fallkonstellation eines Bebauungsplanes nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB, mithin nicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung.
Das Bundesverwaltungsgericht führt an, dass für den Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB einschlägig ist und städtebauliche Maßnahmen auch Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB darstellen. Das Bundesverwaltungsgericht führt weiter an, dass der Ausschlussgrund des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB greift, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken einer Erhaltungssatzung bebaut ist und genutzt wird. Es komme dabei maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an, während mögliche zukünftige Entwicklungen nicht von Bedeutung sind. Das Bundesverwaltungsgericht untermauert dies durch den hinreichend klaren und insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, der auch nicht mit Hilfe anderer Auslegungsmethoden überwunden werden könne.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt somit zu dem Ergebnis, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes zwar eingeengt werde, jedoch nicht von vornherein leerlaufe. Ein Anwendungsbereich verbleibe in den Fällen, in denen eine bauliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweise. Das Bundesverwaltungsgericht führ auch anschaulich an, dass allein eine den Wortlaut des Gesetzes berichtigende Interpretation einer als wünschenswert und sinnvoll erachteten Regelung sich nicht über den Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzen könne. Eine solche Interpretation ist vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen und drängender Probleme auf dem Wohnungsmarkt allein Sache des Gesetzgebers.
Festzuhalten bleibt daher, dass eine Ausübung des Vorkaufsrechts im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht mehr mit zukünftigen Entwicklungen - und seien diese auch durch konkrete Hinweise belegt - gerechtfertigt ist. Da die Gemeinden gerade mit künftigen Entwicklungen die Ausübung des Vorkaufsrechts im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung begründet haben - etwa Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung -, ist hierauf ein Vorkaufsrecht in Zukunft nicht mehr zu stützen.
Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist dazu festgehalten, dass geprüft werde, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.11.2021 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergebe. Soll die bisherige Praxis der Gemeinden diesen auch in Zukunft zur Verfügung stehen, muss der Gesetzgeber nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts tätig werden.
Ihr Ansprechpartner: RA Wolfgang Hierl, HFK Rechtsanwälte, München