Aktuelles
22. Mai 2023
HFK erkämpft Verbot einer Direktbeauftragung von SAP bei Millionenauftrag im Softwarebereich
Die Freie und Hansestadt Hamburg darf ihr in die SAP-Umgebung zu integrierendes elektronisches Vergabemanagementsystem nicht ohne ein wettbewerbliches Vergabeverfahren an die SAP Deutschland SE & Co. KG direkt vergeben. SAP als internationaler Marktführer für Unternehmenssoftware zur Ressourcenverwaltung war vor dem beabsichtigten Millionenprojekt der Landes-IT eine exklusive Zusammenarbeit mit einem anderen E-Vergabe-Anbieter eingegangen. Die damit angestrebte technische Alleinstellung des Softwareriesen für die SAP-integrierte E-Vergabe hätte bei einer Bestätigung durch das Oberlandesgericht den bislang funktionierenden Wettbewerb auf dem hunderte Millionen Euro Umsatz ausmachenden Markt nachhaltig beeinträchtigen können.
Die Finanzbehörde der Stadt Hamburg beabsichtigte einen unbefristeten Rahmenvertrag über die Bereitstellung und Pflege des landesweiten Vergabemanagementsystems direkt an die SAP zu vergeben.
Als Grund für diese Direktbeauftragung ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens notierte die Behörde ein technisches Alleinstellungsmerkmal bei der SAP. So sei nur sie mit der im Zeitpunkt der Markterkundung bereits bestehenden SAP- Integration des von ihr angebotenen Vergabemanagementsystems eines anderen Unternehmens in der Lage, eine betriebssichere und benutzerfreundliche Lösung unmittelbar zu liefern.
OLG Hamburg sieht keine technische Alleinstellung bei SAP und Partner
In der ersten Instanz gab die Vergabekammer Hamburg der Finanzbehörde und der für den zum Zuschlag vorgesehenen SAP auf ganzer Linie recht. Das Oberlandesgericht Hamburg (Az. 1 Verg 1/23) kassierte die Entscheidung der Vorinstanz schließlich.
Das Gericht folgte der Healy Hudson und erkannte keine technische Alleinstellung bei dem zum Zuschlag vorgesehenen Softwarekonzern. Vielmehr wären zur Überzeugung des Gerichts auch andere Anbieter von Vergabemanagementsystemen in der Lage gewesen, im Zeitpunkt geplanten Ausführungsbeginns in Hamburg eine funktionierende, sichere und benutzerfreundliche SAP-Integration ihrer Systeme anzubieten. So konnte die Healy Hudson im Verfahren beispielsweise Referenzen von großen öffentlichen Auftraggebern vorlegen, bei denen ihre Vergabe- und Beschaffungsysteme erfolgreich und in kürzester Zeit an SAP-Umgebungen angebunden wurden.
Auswirkungen bei Billigung der Direktvergabe auf gesamten E-Vergabe-Markt befürchtet
Das besondere Interesse der Healy Hudson am Auftrag liegt nicht nur daran, dass sie es war, die in Hamburg bereits ab 2003 das erste elektronische Vergabemanagementsystem in Deutschland überhaupt eingeführt hat und sie bis dato Bestandsauftragnehmerin ist.
Tatsächlich stand nach Auffassung der HFK-Mandantin die Zukunft des gesamten Marktes der E-Vergabe-Systeme für die öffentliche Hand auf dem Spiel. So sind derzeit insgesamt acht etablierte Wettbewerber mit einem Umsatzvolumen von insgesamt mehreren hundert Millionen Euro in dem Markt aktiv. Da seit 2018 die Abwicklung von Vergabeverfahren über die elektronische Vergabe europaweit verpflichtend ist, handelt es sich um einen Wachstumsmarkt.
Hätte das Oberlandesgericht der geplanten Direktvergabe in Hamburg an die SAP seinen Segen erteilt, wäre sie nicht nur Deutschland- und Weltmarktführer im Unternehmenssoftwarenbereich geblieben. Überdies hätte die SAP fortan all ihren Kunden in der öffentlichen Verwaltung seine Direktbeauftragung – ohne sich einem europaweiten, wettbewerblichen Verfahren stellen zu müssen – mit der Lieferung eines einzigen, von ihr exklusiv ausgewählten Vergabemanagementsystems anbieten können. Gleichzeitig wäre aber dadurch der Marktzugang für die übrigen E-Vergabe-Marktteilnehmer in Deutschland massiv bedroht gewesen.
Vertreter Healy Hudson GmbH
HFK Rechtsanwälte (Frankfurt): Dr. Jörg Stoye, Dr. Johannes M. Jäger (beide Vergaberecht)
Vertreter Freie und Hansestadt Hamburg
Inhouse (Hamburg): Finanzbehörde und die bereits als zentrale Vergabestelle fungierende Dataport AöR
Vertreter SAP Deutschland SE & Co. KG (als Beigeladene)
DLA Piper (Köln)
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Vergabesenat
Ralph Panten, Dr. Janko Büßer und Dr. Lothar Weyhe
Hintergrund: Das Frankfurter Vergaberechtsteam um Dr. Jörg Stoye arbeitet bereits seit vielen Jahren im Vergabe-, Beihilfe- und Europarecht mit der Healy Hudson zusammen. Die Kanzlei steht dem Unternehmen dabei in wirtschaftlich wichtigen Fällen vor Gerichten und Behörden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zur Seite.