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13. September 2022
HFK - insight: Das LNG -Beschleunigungsgesetz - die wichtigsten Regelungen
Nach Beginn des Ukrainekrieges und der damit einhergehenden erheblichen Unsicherheiten der zukünftigen Versorgung mit russischem Gas konnte die Frage nach möglichen beschleunigten Genehmigungsverfahren zu Beginn der Diskussion zum notwendigen Ausbau der LNG-Infrastruktur allenfalls unter Hinweis auf § 8 a BImSchG beantwortet werden. Eine Regelung, die sowohl für Unternehmen, die solche Anlagen errichten und betreiben wollen, als auch für die Genehmigungsbehörden erhebliche Unsicherheiten aufweist. Vor diesem Hintergrund sorgt das Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz - LNGG) für Klarheit. Das LNGG hat das Gesetzgebungsverfahren in nur wenigen Tagen durchlaufen und ist bereits am Tage nach Verkündung am 24. Mai 2022 (BGBl. I S. 802) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist, u.a. die deutschen LNG-Terminals so schnell wie möglich zu errichten, um die Abhängigkeit von russischem Gas wirksam vermindern zu können. Das LNG-Beschleunigungsgesetz stellt den Beteiligten einige Möglichkeiten zur Verfügung, die für erhebliche Verfahrensbeschleunigung seitens der zuständigen Behörden und für Investitionssicherheit auf Seiten der Investoren und Betreiber der Anlagen sorgen werden. Das Gesetz gilt für die derzeit geplanten Anlagen in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein), Wilhelmshaven und Stade (Bützfleth) (Niedersachsen, Hamburg (Moorburg) (Hamburg), Rostock/Hafen und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern). Das LNGG dient nach § 1 Abs. 1 LNGG der Sicherung der nationalen Energieversorgung durch die zügige Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz. Nach § 1 Abs. 2 LNGG sollen durch das Gesetz die Zulassung und Errichtung und die Inbetriebnahme der in § 2 LNGG bezeichneten Vorhaben sowie die Durchführung von Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen dieser Vorhaben beschleunigt werden.
1. Anwendungsbereich
Das LNG-Beschleunigungsgesetz gilt gemäß § 2 LNGG für die Zulassung von:
- stationären schwimmenden Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases,
- stationären landgebundenen Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases,
- Leitungen, die der Anbindung von Anlagen nach Nummer 1 oder Nummer 2 an die Gasversorgungsnetze dienen (LNG-Anbindungsleitungen),
- Gewässerausbauten und Gewässerbenutzungen, die für Errichtung und Betrieb der Anlagen nach Nummer 1 oder Nummer 2 erforderlich sind, und
- Dampf- oder Warmwasserpipelines, die für den Betrieb der Anlagen nach Nummer 1 oder Nummer 2 erforderlich sind.
Es gilt nur für die in der Anlage genannten Vorhaben, also die geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel, Wilhelmshaven, Stade/Bützfleth, Hamburg/Moorburg, Rostock/Hafen und Lubmin und für Vorhaben nach Nr. 4 und 5 (§ 2 Abs. 2 LNGG).
2. Besonderes Interesse
Nach § 3 LNGG wird gesetzlich festgestellt, dass die o.g. Vorhaben für die sichere Gasversorgung Deutschlands besonders dringlich sind. Für diese Vorhaben wird (ausdrücklich) die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der Bedarf zur Gewährleistung der Versorgung der Allgemeinheit mit Gas festgestellt. Die schnellstmögliche Durchführung dieser Vorhaben dient dem zentralen Interesse an einer sicheren und diversifizierten Gasversorgung in Deutschland und ist aus Gründen des überragenden öffentlichen Interesses und im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich. Diese gesetzlichen Bedarfsfestsetzungen sind als Planrechtfertigung für die durch die Genehmigungsbehörden zu treffenden Abwägungsentscheidungen und auch für eine etwaige spätere gerichtliche Überprüfung von zentraler Bedeutung.
3. Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung
Nach § 4 LNGG bestehen Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung, die für alle oben bezeichneten Vorhaben mit Ausnahme der stationären landgebundenen Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases gelten. Die Zulassungsbehörden haben das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nicht anzuwenden, wenn die beschleunigte Zulassung des Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. Die Zulassungsbehörde haben danach von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und der damit verbundenen Beteiligung der Öffentlichkeit abzusehen. Gemäß § 4 Abs. 4 LNGG sind der Öffentlichkeit vor Erteilung der Zulassung der Entwurf und die Begründung der Entscheidung, die wesentlichen Antragsunterlagen und die Gründe für die unterlassene Anwendung des UVPG für die Dauer von vier Tagen lediglich mittels Auslegung und Veröffentlichung auf der Internetseite zugänglich zu machen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat die Europäische Kommission nach § 4 Abs. 5 LNGG vor der Erteilung der Zulassungsentscheidung über die Gründe von der unterlassenen Anwendung des UVPG zu unterrichten und ihr die der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Informationen zu übermitteln.
4. Maßgaben für die Anwendung weiterer Gesetze
4.1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und Industriekläranlagen Zulassungs- und Überwachungsverordnung
Nach § 5 LNGG wird die Anwendung des BImSchG für die stationären schwimmenden Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases im Wesentlichen in Bezug auf die Auslegungs- und Einwendungsfristen des § 10 Abs. 3 BImSchG modifiziert, die erheblichst verkürzt werden (Auslegungs- und Einwendungsfrist jeweils 1 Woche). Die Behörde kann einen Erörterungstermin durchführen, soweit sie diesen für erforderlich und zweckmäßig hält. Diese Vorgaben gelten auch im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 4 der Industriekläranlagen-Zulassungs- und Überwachungsverordnung (§ 5 Abs. 3 LNGG). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 LNGG gilt, dass der Betrieb einer stationären, schwimmenden und landgebundenen Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases spätestens am 31. Dezember 2043 einzustellen ist. Für einen anschließenden Weiterbetrieb kann die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Anlage mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon betrieben wird. Diese Anschlussgenehmigung ist bis zum 01.01.2035 zu beantragen (§ 5 Abs. 2 LNGG).
4.2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
Für die Anwendung des BNatschG gilt nach § 6 LNGG, dass für alle Vorhaben außer den stationären landgebundenen Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases die Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 15 Abs. 2 BNatSchG bis zu zwei Jahre nach Erteilung der Zulassungsentscheidung erfolgen kann. Mit der Umsetzung der Maßnahmen ist innerhalb von drei Jahren nach der Festsetzung zu beginnen.
4.3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
Nach § 7 LNGG werden für alle Vorhaben außer den stationären landgebundenen Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases die Auslegungs- und Einwendungsfristen geändert. Die Auslegungs- und Einwendungsfrist beträgt hier jeweils 1 Woche. Ein Erörterungstermin kann durchgeführt werden, wenn die zuständige Behörde diesen für erforderlich hält. In § 7 Nr. 4 LNGG wird zudem festgelegt, dass durch die Entnahme und Wiedereinleitung von Wasser zum Zwecke der Regasifizierung verflüssigten Erdgases in der Regel keine schädlichen, auch durch den Erlass einzuhaltender Nebenbestimmungen nicht vermeidbaren oder nicht ausgleichbaren Gewässerveränderungen zu erwarten sind.
4.4 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
Zur Anwendung des EnWG regelt § 8 LNGG, dass abweichend von § 43a EnWG die Auslegungs- und Einwendungsfrist jeweils 1 Woche beträgt und ein Erörterungstermin stattfinden kann, wenn die Behörde ihn für erforderlich hält. Kampfmittelräumungen, archäologische Untersuchungen und Bergungen gelten als Vorarbeiten im Sinne des § 44b EnWG und der Vorhabenträger kann bereits nach Ablauf der Einwendungsfrist verlangen, dass das Verfahren zur vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 44 b EnWG durchgeführt wird. Für den nach § 44c EnWG geregelten vorzeitigen Baubeginn wird nach § 8 Abs. 1 Ziffer 4 LNGG vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abgesehen, so von der Reversibilität der Maßnahmen und Verpflichtung zu Schadensersatz und Wiederherstellung.
5. Vergabe- und Nachprüfungsverfahren
Das neue LNGG enthält nicht nur Beschleunigungsregelungen für die Genehmigungsverfahren, sondern umfassende Vorgaben zur Beschleunigung von Vergabe- und Nachprüfungsverfahren. § 9 Abs. 1 LNGG enthält zahlreiche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Vergabeverordnung (VgV). § 9 Abs. 2 LNGG führt zur Beschleunigung in Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer und § 9 Abs. 3 LNGG enthält Maßgaben für Verfahren zur sofortigen Beschwerde. Unterhalb der Schwellenwerte des § 106 Abs. 2 GWB ist nach § 9 Abs. 4 LNGG keine öffentliche Ausschreibung, keine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb und kein sonstiger Teilnahmewettbewerb erforderlich.
6. Verfahrensanordnungen
Nach § 10 LNGG wird mit den weiteren Verfahrensanordnungen geregelt, dass für ortsübliche und öffentliche Bekanntmachungen § 2 des Planungssicherstellungsgesetzes (PlanSiG) ohne Anwendung der darin enthaltenen Frist gilt. Der Anschlag an einer Amtstafel oder die Auslegung zur Einsichtnahme kann danach durch Bekanntmachung im Internet ersetzt werden. Bei einer unverzichtbaren Auslegung von Unterlagen oder Entscheidungen ist § 3 des PlanSiG ohne die darin enthaltene Frist anwendbar; die Auslegung kann danach durch Veröffentlichung im Internet ersetzt werden. Ein etwaig erforderlicher Erörterungstermin oder eine mündliche Verhandlung kann nach Maßgabe des § 5 PlanSiG durch eine Online-Konsultation ersetzt werden.
7. Rechtsbehelfe / ausschließliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
Nach § 11 LNGG gilt, dass Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen für die von diesem Gesetz umfassten Vorhaben keine aufschiebende Wirkung haben. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 12 LNGG erst- und letztinstanzlich für Streitigkeiten zuständig. Dies gilt auch für Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren sowie Genehmigungen nach dem BImSchG für Anlagen, die für den Betrieb von diesem Gesetz umfassten Vorhaben notwendig sind.
8. Übergangsregelungen / Inkrafttreten / Außerkrafttreten
Grundsätzlich sind nach § 13 LNGG die Regelungen des LNGG auf die vor dem Inkrafttreten des LNGG bereits begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Genehmigungsverfahren anzuwenden. Für bestimmte Verfahrensstadien und Konstellationen bestehen dabei gesonderte Maßgaben. Nach § 14 LNGG treten die §§ 1-10 LNGG und damit die Mehrzahl der Regelungen mit Ausnahme von § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 2, 3 und 5 LNGG am 30.06.2025 außer Kraft. § 13 LNGG tritt am 30.06.2027 außer Kraft. Als Resümee ist festzuhalten, dass – gerade im Vergleich zu anderen Beschleunigungsgesetzgebungen in der Vergangenheit im Infrastruktursektor – durch den Gesetzgeber angesichts der drohenden Gasmangellage und deren drastische Auswirkungen hier ein entschiedener Ansatz verfolgt wird. Wesentliche Unsicherheitsfaktoren der vormals anwendbaren Rechtsgrundlage für beschleunigte Genehmigungsverfahren werden ersetzt, wobei allerdings z.B. mit dem Entfall der Umweltverträglichkeitsprüfung und der nur sehr eingeschränkten Öffentlichkeitsbeteiligung die Vereinbarkeit mit EU-rechtlichen Vorgaben zumindest fraglich erscheint und wir gespannt erste Entscheidungen der Rechtsprechung erwarten dürfen.
Über den Autor:
Wulf Clausen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, HFK Rechtsanwälte Hamburg, berät Vorhabenträger, Investoren und Behörden im Rahmen von Zulassungsverfahren und der Realisierung komplexer Infrastruktur- und Immobilienprojekte sowie im Rahmen des Stakeholdermanagements und vertritt diese auch in gerichtlichen Auseinandersetzungen.