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20. Juli 2022
HFK-Update Architektenrecht: BGH entscheidet zu Mindestsatzklagen zwischen privaten Vertragsparteien
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofes (BGH) mit Urteil vom 18.01.2022 (C-261/20) entschieden, dass die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (HOAI 2013) in Verträgen zwischen privaten Vertragsparteien weiterhin angewendet werden können (sh. HFK-Update Architektenrecht vom 19.01.2022). Damit waren für vor den deutschen Gerichten laufende sogenannte Mindestsatz- oder Aufstockungsklagen die Weichen gestellt. Hinsichtlich der Zulässigkeit einer vertraglich vereinbarten Mindestsatzunterschreitung war aufgrund der EuGH-Entscheidung vom 04.07.2019 (C-377/17) von mehreren Oberlandesgerichten die Auffassung vertreten worden, dass in Folge des vom EuGH festgestellten Verstoßes des zwingenden Mindestsatzgebotes gegen die sogenannte EU-Dienstleistungsrichtlinie dieses Gebot in Rechtsstreitigkeiten nicht mehr anzuwenden sei. Zum Teil war auch vertreten worden, dass sich die Unanwendbarkeit schon aus dem primären Unionsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit ergebe. Einige Gerichten und Teile der Literatur hatten darüber hinaus den Standpunkt, dass die in § 7 Abs. 1 HOAI normierte weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen für vom Mindestsatz abweichende Honorarvereinbarungen, nämlich das Erfordernis, eine solche Vereinbarung bei Vertragsschluss schriftlich abzuschließen, wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Mindestsatzgebot ebenfalls nicht mehr anwendbar sei.
Der BGH selbst hat nun in mehreren aktuellen Urteilen vom 02.06.2022 (Az: VII 174/19, VII ZR 229/19 und VII ZR 12/21) entschieden, dass das in § 7 Satz 1 HOAI (2013) geregelte Mindestsatzgebot nicht EU-richtlinienkonform dahin ausgelegt werden kann, dass die Mindestsätze der HOAI im Verhältnis zwischen Privatpersonen nicht mehr verbindlich sind und daher einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarvereinbarungen nicht entgegenstehen. Der BGH stellt zum einen klar, dass die Dienstleistungsrichtlinie keine unmittelbare Wirkung in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen hat und die nationalen Gerichte daher nicht verpflichtet sind, das Mindestsatzgebot unangewendet zu lassen. Zum anderen führt der BGH aus, dass das europäische Primärrecht, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit auf rein innerstaatliche Sachverhalte, deren Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen, keine Anwendung findet. Die Auffassung, das Wirksamkeitserfordernis einer schriftlichen, bei Auftragserteilung abzuschließenden Honorarvereinbarung könne vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils vom 04.07.2019 nicht mehr Anwendung finden, beurteilt der BGH schon deswegen als unzutreffend, weil das Mindestsatzgebot der HOAI weiterhin anwendbar ist. Außerdem führt die Dienstleistungsrichtlinie nur zur Unionsrechtwidrigkeit des Mindestsatzgebotes führt, steht jedoch Vorschriften im nationalen Recht nicht entgegen, die die Schriftform für bestimmte Verträge vorsehen.
Weiterhin offen ist die Frage, ob diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn auf Auftraggeberseite die öffentliche Hand auftritt. Die EuGH-Entscheidung betrifft nach ihrem Wortlaut entsprechend der Formulierung der Vorlagefrage des BGH Verträge, die zwischen Privaten geschlossen worden sind, also juristische Personen des Privatrechts oder natürliche Personen. Für Fälle, in denen auf Auftraggeberseite die öffentliche Hand auftritt, wurde nach dem EuGH-Urteil vom 04.07.2019 zum Teil vertreten, dass der Staat als Auftraggeber unmittelbar an europäisches Recht gebunden sei und daher die unionsrechtswidrigen Preisbestimmungen der HOAI nicht beachten dürfe. Allerdings tritt der Staat beim Abschluss von Architekten- und Ingenieurverträgen in der Regel fiskalisch auf, also nicht hoheitlich. Dies spricht dafür, die Feststellung des EuGH in dem Urteil vom 18.01.2022 auch auf solche Verträge anzuwenden. Hier bleibt die zukünftige Rechtsprechung abzuwarten.
Ansprechpartner:
Thomas J. Michalczyk
Rechtsanwalt
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