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27. November 2023
HFK-Update: BGH-Entscheidung zu den Grenzen erlaubter Rechtsberatung durch Architekten
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine vertragliche Vereinbarung, durch die sich ein Architekt gegenüber dem Bauherrn verpflichtet, nach den Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) unzulässige Rechtsberatung zu leisten, unwirksam ist und der Architekt deswegen schadensersatzpflichtig sein kann.
In dem entschiedenen Fall hatte der Architekt seinem Auftraggeber eine Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen zur Verfügung gestellt. Diese Skontoklausel war AGB-rechtlich unwirksam, sodass der Bauherr die vereinbarten Skontoabzüge nicht vornehmen konnte und rund 125.000,00 Euro an ein bauausführendes Unternehmen nachzahlen musste.
Der Bauherr nahm deswegen den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch. Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass der Auftragnehmer mangels Pflichtverletzung keinen werkvertraglichen Schadensersatz gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB schuldet. Zwar gehöre aufgrund der entsprechenden Grundleistung der Leistungsphase 7 des Leistungsbildes Objektplanung Gebäude die Mitwirkung bei der Auftragserteilung zum Leistungumfang. Damit komme jedoch nicht zum Ausdruck, dass der Architekt einen juristisch geprüften, rechtlich einwandfreien Vertragsentwurf schulde. Der Bauherr könne von einem Architekten keine vertieften juristischen Kenntnisse erwarten.
Dieser Entscheidung folgt der Bundesgerichtshof nicht, sondern sieht es als möglich an, dass dem Bauherrn ein Schadensersatzanspruch aus allgemeinem Schuld- oder aus Deliktsrecht zusteht. Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass der Architekt durch das Zurverfügungstellen der Skontoklausel eine gemäß § 3 RDG unzulässige Rechtsdienstleistung zum Gegenstand des Architektenvertrages gemacht hat. Zwar sieht der Bundesgerichtshof in Fortsetzung seiner früheren Rechtsprechung rechtsberatende Tätigkeit durch einen Architekten in einem gewissen Umfang als zulässig an. Grundlage dafür ist § 5 Abs. 1 RDG, wonach Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt sind, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ein Architekt muss als sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn über nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts des BGB und der VOB/B sowie öffentlich-rechtlicher Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht verfügen und hat diese - dementsprechend zulässigerweise - in seine Beratung einzubeziehen. Zulässig ist die Rechtsberatung aber nur, soweit sie zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig ist. Eine individuelle Vertragsgestaltung wie beispielsweise das Zurverfügungstellen von Skontoklauseln gehört nicht dazu, weil dies nicht erforderlich ist, um die mit dem Bauherrn vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Sie betrifft das darüber hinausgehende wirtschaftliche Interesse und dessen rechtliche Umsetzung. Die damit verbundenen Aufgaben gehen über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind.
In der Entscheidung tritt der Bundesgerichtshof auch der in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht entgegen, aus der HOAI-Grundleistung „Mitwirken bei der Auftragserteilung“ sei herzuleiten, dass dem Architekten rechtsberatende Tätigkeiten erlaubt seien und damit auch eine entsprechende Pflicht des Architekten einhergehe. Diese Ansicht verkennt zum einen, dass die HOAI – auch in der seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung – reines Vergütungsrecht darstellt und keine Leistungspflichten des Architekten oder Ingenieurs begründet. Zum anderen kann eine in der Normenhierarchie unter dem RDG stehende Rechtsverordnung, wie es die HOAI ist, nicht zur Auslegung der Regelungen des RDG herangezogen werden.
Die Vereinbarung einer unzulässigen Rechtsdienstleistung in einem Architektenvertrag verstößt somit gegen ein gesetzliches Verbot, nämlich § 3 RDG. Der Architekt muss daher gegebenenfalls vor Vertragsschluss darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt wenden muss. Versäumt er diesen Hinweis, kommt eine Schadensersatzverpflichtung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Da das Verbot unerlaubter Rechtsberatung dem Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rat dient, liegt auch eine Schutzgesetzverletzung vor, sodass auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 3 RDG in Betracht kommt.
Die Erwägungen des BGH lassen sich ohne weiteres auf Verträge mit anderen Bauingenieuren oder Projektsteuerern übertragen, für die das Urteil mehr Rechtssicherheit bringt, weil sie die Möglichkeit haben, bei der Gestaltung ihrer eigenen Verträge rechtliche Beratungspflichten, die über das zur Zielerreichung Erforderliche hinausgehen, auszuklammern. Auch für Bauherrn bringt die Entscheidung Klarheit hinsichtlich der Aufgabenstellung ihrer verschiedenen Auftragnehmer.
Autor: Thomas J. Michalczyk, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, HFK Berlin