Aktuelles
08. März 2023
HFK Update: BGH-Entscheidung zur Unwirksamkeit der Kündigungsregelung in § 4 Abs. 7 VOB/B
Der BGH hat am 19.01.2023 (Az.: VII ZR 34/20) eine lang erwartete Entscheidung zur Wirksamkeit von § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B (2002) getroffen. Wir geben Hinweise zur Einordnung dieser Entscheidung.
Amtlicher Leitsatz:
Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hieraus rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 S. 3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.
Entscheidung des BGH:
Der BGH hatte bisher die Frage offengelassen, ob und inwieweit die Mängelersatzvornahmeberechtigung im Zeitraum vor der Abnahme der Werkleistung durch den Auftraggeber bei VOB/B-Verträgen möglich ist. In seinem Urteil vom 19.01.2017 (Az.: VII ZR 301/13) hat der BGH entschieden, dass es eine solche Berechtigung im BGB-Werkvertragsrecht nicht gibt.
Nun hat der BGH am 19.01.2023 (Az.: VII ZR 34/20) eine Entscheidung über die Wirksamkeit von § 4 Nr. 7 S. 3 VOB/B (2002) getroffen, die schon seit langem erwartet worden ist und für Experten keine Überraschung darstellt.
Für den BGH stellte sich die Frage, ob eine Inhaltskontrolle rechtlich überhaupt zulässig ist oder ob sich eine solche verbietet. Schon im Jahr 2004 hat der BGH die Entscheidung getroffen (Az.: VII ZR 419/02), dass jede vertragliche Abweichung von den Regelungen in der VOB/B dazu führt, dass die Inhaltskontrolle eröffnet ist. Eine Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Abweichungen nicht erforderlich.
Im konkreten Fall wurde die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart, sodass der BGH die Inhaltskontrolle durchführen konnte. In dieser kam der BGH zum Ergebnis, dass die Regelung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Die Vorschrift benachteiligt den Auftragnehmer in unangemessener Weise, da sie eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 314 BGB: Kündigung aus wichtigem Grund) enthält. Insbesondere differenziert die Vorschrift nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels. Voraussetzung für die Kündigung aus wichtigem Grund ist immer, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortführung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
Auch unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, sind von der streitentscheidenden Regelung umfasst und berechtigen folglich zur Kündigung. Unter dem Strich ist eine unzumutbare Abweichung für den Auftragnehmer offensichtlich.
Die Entscheidungsgründe sind auf die heute geltenden Kündigungsregelungen der VOB/B übertragbar.
Bedeutung für Auftraggeber:
Nach dieser BGH Rechtsprechung stellen sich nun spannende Rechtsfragen. Der Auftraggeber steht insbesondere vor der Hürde entscheiden zu müssen, ob die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648a BGB aufgrund des Mangels erfüllt sind. Ansonsten läuft er Gefahr frei zu kündigen. Nach § 648a Abs. 1 BGB kann der Vertrag aus wichtigem Grund vom Auftraggeber erst dann gekündigt werden, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
Autor:
RA Stjepan Sirovina, HFK Stuttgart
HFK Rechtsanwälte beraten Sie gerne zu den aus dieser für den VOB/B-Vertrag bedeutenden Entscheidung entstehenden Fragen, insbesondere dazu wie den Folgen durch Vertragsgestaltung begegnet werden kann.