Aktuelles
12. April 2023
HFK Update: Zum nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vom 01.01.2023; EU-Lieferketten-Richtlinie aktuell in Diskussion
Während am 01.01.2023 auf nationaler Ebene bereits das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten vom 16.07.2021 (Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz – LkSG) in Kraft getreten ist, befindet sich auf europäischer Ebene der Erlass eines EU-Lieferkettengesetzes bzw. einer entsprechenden EU-Richtlinie aktuell noch in Diskussion. Hierzu hat die Europäische Kommission am 23.02.2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) vorgelegt, der sich derzeit in Abstimmung befindet. Dem bereits geltenden LkSG sowie dem Richtlinien-Entwurf ist gemein, dass beide sowohl menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung enthalten, die von den in den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen umzusetzen sind, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit im eigenen Geschäftsbereich sowie in ihren globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten zu vermeiden.
Das LkSG findet dabei aktuell auf Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz oder satzungsmäßigem Sitz im Inland bzw. Zweigniederlassung im Inland mit in der Regel mindestens 3000 Arbeitnehmern Anwendung. Ab dem 01.01.2024 wird vorgenannter Schwellenwert auf 1000 im Inland beschäftigte Arbeitnehmer abgesenkt.
Die Vorgaben des Gesetzes gelten damit auch für Auftraggeber und Auftragnehmer im Baubereich, sofern die Unternehmen die Schwellenwerte von 3000 bzw. 1000 Arbeitnehmern erreichen. Zudem ist damit zu rechnen, dass die vom LkSG aufgestellten Anforderungen auch an Auftragnehmer, die aufgrund der Größe ihres Betriebs selbst zwar nicht unter den Anwendungsbereich des LkSG fallen, vertraglich – insbesondere durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) – weitergegeben werden, wenn diese mit dem Anwendungsbereich des LkSG unterfallenden Auftraggebern kontrahieren.
Ferner ist nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes davon auszugehen, dass die Vorgaben des LkSG jedenfalls dann auch auf öffentliche Auftraggeber Anwendung findet, sofern diese nicht nur Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, sondern auch am Markt unternehmerisch tätig sind (etwa beim Betreiben von Krankenhäusern oder der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen). Insofern ist dann bereits im Zuge des Vergabeverfahrens durch geeignete Maßnahmen, etwa durch die Einholung einer Eigenerklärung und/oder die Festlegung entsprechender Eignungs- oder Zuschlagskriterien, sicherzustellen, dass die Vorgaben des LkSG von den Bietern eingehalten werden.
Zu den umfangreichen durch das Gesetz geschützten Menschenrechten gehören beispielsweise die Einhaltung der Verbote der Kinder- und Zwangsarbeit sowie Sklaverei, der Verbote der Missachtung der nach dem Recht des jeweiligen Beschäftigungsorts geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes sowie der Missachtung der Koalitionsfreiheit und des Verbots des Vorenthaltens eines angemessenen Arbeitslohns. Zu den geschützten Umweltrechten zählen u.a. das Verbot der Produktion und Verwendung bestimmter Chemikalien, das Verbot der nicht umweltgerechten Handhabung, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen sowie das Verbot der Aus- und Einfuhr gefährlicher Abfälle.
Hierzu verlangt das LkSG von den in seinen Anwendungsbereich fallenden Unternehmen die Ergreifung umfangreicher Maßnahmen zur Beachtung und Erfüllung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten im eigenen Unternehmen und in den Lieferketten. Diverse den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen sind dabei bußgeldbewehrt, wobei empfindliche Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 8 Mio. bzw. bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als EUR 400 Mio. sogar Geldbußen in Höhe von 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes anfallen können. Zudem droht im Falle von Verstößen der Ausschluss von öffentlichen Auftragsvergaben.
Zu den von den Unternehmen nach dem LkSG zu ergreifenden Maßnahmen, mit denen für mehr Transparenz in den Lieferketten gesorgt werden soll, zählen insbesondere
- die Einrichtung eines Risikomanagements,
- die Festlegung entsprechender betriebsinterner Zuständigkeiten,
- die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen,
- die Abgabe einer Grundsatzerklärung,
- die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber unmittelbaren Zulieferern,
- das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen im Falle bereits eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Verletzungen menschenrechts- oder umweltbezogener Pflichten,
- die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens,
- die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern sowie
- die fortlaufende unternehmensinterne Dokumentation und die jährliche Berichterstattung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG.
Bei der Beauftragung von Bauleistungen sind daher vom Auftraggeber an den Auftragnehmer gewisse Verpflichtungen zur Einhaltung und Kontrolle der Vorgaben nach dem LkSG vertraglich weiterzugeben, was in der Regel durch die Verwendung entsprechender AGB erfolgen wird. Zudem ist die Einhaltung der Vorgaben des LkSG im Rahmen der Angemessenheit insbesondere bei langfristigen, größeren oder besonders risikobehafteten Bauvorhaben durch geeignete Maßnahmen während der Durchführung des Auftrags zumindest stichprobenartig durch den Auftraggeber zu überwachen. In Betracht kommen hier etwa Vor-Ort-Termine oder Audits sowie die Durchführung von Schulungs- oder Weiterbildungsveranstaltungen, für die der Auftragnehmer geeignete Mitarbeiter abzustellen hat. Darüber hinaus empfiehlt sich, auch die mit der Bauüberwachung beauftragten Unternehmen/Personen im Hinblick auf die menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken zu sensibilisieren sowie diese im Hinblick auf deren Kontrolle entsprechend zu schulen und zu verpflichten.
Insgesamt werden durch das LkSG somit die Anforderungen an das Compliance- und Risikomanagementsystem der in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Unternehmen deutlich erhöht. Die Prozesse und Abläufe im Unternehmen sind daher unter dem Gesichtspunkt der Vorgaben des Gesetzes eingehend zu überprüfen und bei Bedarf durch Etablierung geeigneter Maßnahmen entsprechend anzupassen.
Weitergehende, über das LkSG hinausgehende Anforderungen und Verpflichtungen an Unternehmen können sich zudem im Falle des Inkrafttretens der sich derzeit in Diskussion befindenden EU-Lieferketten-Richtlinie ergeben. Insofern zeichnet sich ab, dass die Anforderungen an die Unternehmen dann nochmals verschärft werden. So sind beispielsweise die Reduzierung des Schwellenwerts für das Eingreifen der Regelungen, eine bisher nicht gegebene zivilrechtliche Haftung sowie die Erweiterung auf Ziele des Klimaschutzes im Gespräch.
Für weitere Informationen zu den Auswirkungen des LkSG sowie der geplanten EU-Richtlinie auf Ihr Unternehmen sowie zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner:
Dr. Sebastian Conrad, Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, HFK Berlin, conrad@hfk.de
Franz-Ulrich Kremer, HFK Berlin, kremer@hfk.de
Ernst Wilhelm, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Wirtschaftsmediator, HFK Berlin, wilhelm@hfk.de
Katharina Sticht, HFK Berlin, sticht@hfk.de